Speaker Series #11 – Sharing: Fluch oder nachhaltiger Lösungsansatz?

Am Donnerstag (13.07.2023) fand unsere letzte Speaker Series “MCube Speaker Series Zukunft der Mobilität” vor unserer Sommerpause im Deutschen Museum Verkehrszentrum statt –  dieses mal zum Thema “Sharing – Fluch oder nachhaltiger Lösungsansatz?” 

 

1992 wurde Deutschlands erste Car-Sharing Firma STATTAUTO geboren, viele Anbieter und Konzepte folgten. Flächendeckend und als echte Entlastung für ALLE hat sich aber bis heute kein Konzept durchgesetzt, obwohl es in der Theorie so einfach klingt. Wir nutzen kostspielige, flächeneinnehmende Gebrauchsgegenstände genau dann, wenn wir sie benötigen. Die vielen Insolvenzen der letzten Monate vor allem bei Bike-Sharing Anbietern (z.B. Avocargo) trüben die Stimmung weiter. Daher fragen wir uns: Was hindert uns daran, das riesige Potenzial durch Sharing Fahrzeuge besser auszulasten und den knappen städtischen Raum effizienter zu nutzen? 

Mit 3 Praxisbeispielen haben die Speaker*innen unter der Moderation von Carolin Zimmer (Technische Universität München) dargestellt, wie Sharing eine echte Alternative zum Privatauto sein kann, wie Geschäftsmodelle aussehen können und wie dieser Lösungsansatz skaliert werden muss, um wirklich ALLE in der Mobilitätswende mitzunehmen.

Zunächst stellte Projektmanager Nico Nachtigall (Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TUM) das MCube Innovationsprojekt ComfficientShare vor. ComfficientShare testet eine bequeme und effiziente Lösung für Elektrofahrzeug- und Ladepunkt-Sharing in urbanen Wohnvierteln. Momentan wird das Projekt in Nymphenburg mit einer geschlossenen Nutzergruppe aus 7 Haushalten des Gemeinnützigen Wohnungsvereins München 1899 e.V. erprobt. In der letzten Phase des Projekts wird erprobt, wie sich das Nutzungsverhalten der Teilnehmer*innen verändert, wenn sich 7 Haushalte 5 E-Autos teilen. 

Mit der Ersetzungsquote von 7 privaten Fahrzeugen zu 5 geteilten Fahrzeugen – die wir in ComfficientShare grade erproben – können wir, hochgerechnet auf München, über 200.000 Autos einsparen.“

– Nico Nachtigall

Das Carsharingkonzept in ComfficientShare hat das Ziel, den Nutzer*innen immer ein Auto bei Bedarf zur Verfügung stellen zu können, immer einen Parkplatz mit Ladepunkt in der Tiefgarage zu bieten, einen geschlossenen Nutzerkreis mit erwarteter höherer Grundsauberkeit sowie einen Putz- und Wartungsservice zu stellen. Mehr zum Projekt hier.

Als Nutzerin des Projekts ComfficientShare beschrieb die Anwohnerin Franziska Feiertag, wie sie sich mit ihren Nachbarn als Nutzergruppe arrangieren und Regeln aufstellen, damit das Carsharing für alle gut funktioniert. Spannend hierbei: Nachdem zunächst die Nachbarn über komplizierte Maßnahmenkataloge diskutierten, was erlaubt und was nicht erlaubt und vor allem wie sanktioniert werden kann, entschied sich die Gruppe für den radikalen Gegenentwurf. Keine Sanktionsliste, nachbarschaftliches Vertrauen und Kontrolle für die Gemeinschaftsgüter reichen zunächst aus.

 

 

 

Es gibt noch wenig Aufmerksamkeit für dieses Thema – zu wenig Druck und Anreiz, um aktiv zu werden.“

Dr. Bernhard Kalkbrenner

 

Dr. Bernhard Kalkbrenner, Senior Manager Digital Hub Mobility der UnternehmerTUM, gab einen Einblick in das “Hausflotte” Projekt der UnternehmerTUM. Der Fokus: Sharing in Hausgemeinschaften. Hier werden im Gegensatz zu ComfficientShare bereits genutzte Privatautos für peer-to-peer Sharing von Teilnehmer*innen innerhalb Wohngemeinschaften zur Verfügung gestellt. Dr. Bernhard Kalkbrenner hat deutlich gemacht, dass eine Skalierung mit einem sich selbst tragendem Geschäftsmodell momentan noch schwierig ist und auch, dass das Mindset der Öffentlichkeit gegenüber Sharing vs. Privatauto noch schwach ist. Mehr zum Hausflotten-Projekt hier.

Als letzter Speaker zeigte Stefan Sommerfeld, Mobilitätsmanager der Stadt Kempten, wie Sharing in ländlichen Räumen aussehen kann und berichtete von dem Projekt eHUBS NWE. In diesem Projekt wurden Mobilitätspunkte in Kempten (Allgäu) aufgestellt und nun stehen E-Autos, E-Roller und (Lasten-)Fahrräder an den eHUBS der Öffentlichkeit zur Verfügung. 

Ich muss Sharing einfacher und komfortabler machen als das eigene Auto.“

Stefan Sommerfeld

Ein weiterer Fokus seines Impulses lag auf den Implikationen von Sharing für Menschen mit Behinderung. E-Scooter im Sharing-Netzwerk stellen Hindernisse für z.B. blinde Personen dar. Wir müssen Lösungen schaffen, sodass Sharing für ALLE nicht als Fluch wahrgenommen wird.

Ein schöner und spannender Abschluss der Speaker Series Reihe des Sommersemesters 2023. Wir melden uns mit Terminen für das kommende Wintersemester. Schöne Pause!

Über unsere Referenten:

  • Nico Nachtigall: TUM/ Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Projektleiter ComfficientShare
  • Franziska Feiertag: Studienteilnehmerin ComfficientShare
  • Dr. Bernhard Kalkbrenner: Senior Manager am Digital Hub Mobility der UnternehmerTUM
  • Stefan Sommerfeld: Mobilitätsmanager der Stadt Kempten (Allgäu) im Amt für Tiefbau und Verkehr und im Amt für Wirtschaft und Stadtentwicklung

 

Vielen Dank für die Impulse und Diskussionen. Ein besonderes Danke an die Bayern Innovativ GmbH und die UnternehmerTUM.

Danke Matthias Grundei für die Bilder.

“Zukunft der Mobilität” ist eine Vortragsreihe von MCube – Munich Cluster for the future of Mobility in Metropolitan Regions, Technische Universität München and openLAB Urban Mobility.

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