Rund 150 interessierte Gäste kamen am 14. Dezember im Verkehrszentrum des Deutschen Museums zusammen, um ein erstes Zwischenfazit zum MCube Innovationsprojekt aqt (Autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt)zu ziehen.
Im Zuge der MCube Speaker Series “Zukunft der Mobilität” , einer Veranstaltungsreihe der Technischen Universität München (TUM) und dem openLab Mobility der TUM mit dem Deutschen Museum Verkehrszentrum, fassten Forschende und Branchengrößen das Reallabor in der südlichen Au zusammen. Das temporäre Projekt verwandelte über fünf Monate Straßenabschnitte in grüne Oasen, wandelte Parkplätze neu um, förderte aktive Mobilität und schuf durch Urban Gardening ein nachbarschaftliches Miteinander. Diese Neugestaltung löste sowohl Begeisterung als auch Kritik vor Ort aus. Über 90 Medienberichte wurden zum Projekt deutschlandweit veröffentlicht und das Vorhaben wurde zum Spiegelbild eines komplexen gesellschaftlichen Wandels. Ziel von aqt ist es, genau aus diesem mikroskopischen Wandelprozess zu lernen, wie die Mobilitätswende als Ganzes effektiv umgesetzt werden kann, damit die Stadt und alle relevanten Akteure daraus lernen können. Dazu werden in den kommenden Monaten nun die Ergebnisse dezidiert ausgewertet und Handlungsempfehlungen formuliert.
In der MCube Speaker Series wurde mit einem Zwischenfazit auf die letzten Monate zurück geschaut: Was können wir jetzt schon aus diesem umfassenden, aber temporären Projekt lernen und was erwarten wir im weiteren Projektverlauf.
Zusammenfassung:
aqt Projektteam, TUM: Reflexionen auf ein Jahr Reallabor – Marco Kellhammer und Simone Aumann aus dem aqt-Team stellten das Projekt umfassend vor und reflektierten über die Kernfrage: Wie können städtische Bestandsquartiere im Kontext der Mobilitätswende gestaltet werden? Welche Chancen entstehen dabei für die Nachbarschaft? Ein Zwischenfazit zeigte, dass eine Mehrheit der Beteiligten das Projekt als positiv empfand und ihre Wertschätzung für Freiräume im Quartier steigerte.
Georg Dunkel, Mobilitätsreferat: Kritik an rechtlichen Rahmenbedingungen.
Georg Dunkel, Leiter des Mobilitätsreferats der Landeshauptstadt München sprach sich klar für die Wichtigkeit aus, Projekte zu testen und sah das Projekt an der Kolumbusstraße grundsätzlich als Erfolg. Er kritisierte dabei aber vor allem die unzureichenden rechtlichen Rahmenbedingungen: „Das Blockieren von Reformen durch den Bundesrat und der Mangel an Handlungsspielraum für Kommunen bei der dringend notwendigen Verkehrswende sind ein Schlag ins Gesicht.“ Er unterstreicht die Dringlichkeit von mutigen und innovativen Ansätzen in der lokalen Verkehrspolitik und fasst zusammen: „Veränderungen schmerzen, aber Stillstand ist keine Option.“
Heinrich Strößenreuther (Autor „Die Verkehrswesen – Miteinander den Kulturkampf beenden“, Mit-Gründer KlimaUnion e.V., Gründer Changing Cities e.V): Eine Wende ist schnell, radikal und beherzt – Heinrich Strößenreuther, bekannt als „Deutschlands erfolgreichster Verkehrslobbyist“ und Gründer verschiedener Initiativen wie Volksentscheid Fahrrad und Changing Cities e.V., kritisiert den Begriff Verkehrswende, der ja vom Segeln kommt: „schnell, radikal und beherztund kurz mit Gegenwind“. Er betonte die Notwendigkeit, Gegenwind auszuhalten, das richtige “Chance-Design”, Mehrheiten zu überzeugen und die Opposition mitzureißen, um effektive und nachhaltige Veränderung zu erreichen. Strößenreuther wünschte sich vielmehr den Fokus, wie Kühl- und Grünzonen standardisiert, mit langfristigem Bestand statt vorübergehendem Versuch und auf eine ganz München skaliert.
Professor Benedikt Boucsein: Bedachtsame Gestaltung des Wandels
Professor Benedikt Boucsein, Leiter der Professur für Urban Design an der TUM, brachte eine bedachtsamere Perspektive in die Diskussion ein. „Auch wenn der Wandel schnell voranschreitet, erfordert er sorgfältiges Üben. Beim ersten Mal Segeln fand ich mich im Kreis drehend wieder“, erläuterte er. Das aqt-Projekt an der Kolumbusstraße diente als Experimentierfeld, um neue Ideen zu erproben, die dann angepasst und weiterentwickelt werden können.
Boucsein plädierte für einen ausgewogenen Ansatz, der alle Stakeholder miteinbezieht und ihre Bedürfnisse berücksichtigt. Er unterstrich die Wichtigkeit von Zeit und Geduld bei Veränderungsprozessen und sprach sich für eine schrittweise Implementierung und das Testen neuer Konzepte aus, um breite Unterstützung für den Wandel zu sichern.
Zudem hob Boucsein hervor, dass eine pauschale Verurteilung von Autos nicht zielführend sei. „Es geht nicht nur darum, Sharing zu fördern und Mut für neue Mobilitätskonzepte zu schaffen. Es ist essenziell, diejenigen, die von den Veränderungen betroffen sind, positiv einzubinden und für den nachhaltigen Wandel zu gewinnen.“ Er verwies auf die aktuelle Situation in München, wo die durchschnittliche Auslastung von Autos bei 1,2 Personen liegt und die Parkraumauslastung 120% beträgt. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung, um Klimaziele zu erreichen und die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.
Jana Kugoth: Redaktionsleitung Tagesspiegel Background): Die Rolle der Medien: Aufklärung und Verantwortung
Als in der Paneldiskussion Moderator Marco Eisenack zur Rolle der Medien in der Mobilitätswende fragte, insbesondere ob die Berichterstattung zur Straßenumgestaltung überzogen gewesen sei, verteidigte Jana Kugoth vom Tagesspiegel die Medienlandschaft. Sie erklärte, dass Medien eine aufklärende Rolle spielen, gleichzeitig aber auch wirtschaftlichen Zwängen unterliegen. „Wichtig ist, dass alle Meinungen Eingang in die Berichte finden, um ein ausgewogenes Bild zu ermöglichen. Oft sind es jedoch gerade polarisierende Headlines und Zitate, die Aufmerksamkeit erregen und zum Lesen animieren“, so Kugoth.
Fazit: Navigieren des Wandels zwischen Beschleunigung und Akzeptanz
Die vielfältigen Perspektiven, die während der MCube Speaker Series präsentiert wurden, beleuchten die zentrale Herausforderung bei der Mobilitätswende: Wie kann der Wandel in Deutschland beschleunigt werden, ohne die Akzeptanz der Bevölkerung zu verlieren? Es ist ein komplexer Balanceakt, der das dringliche Handeln mit der Notwendigkeit vereinen muss, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen und gleichzeitig sensibel auf Bedenken und Widerstände zu reagieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Segel geschickt zu setzen und einen gemeinsamen Kurs zu steuern, der sowohl schnell als auch nachhaltig ist.
Die Diskussionen der MCube Speaker Series haben deutlich gemacht, dass die Mobilitätswende weit mehr als ein technologisches Unterfangen ist: sie umfasst auch soziale, kulturelle und politische Dimensionen. Diese erfordern Mut, Entschlossenheit und die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten. Georg Dunkel, Leiter des Mobilitätsreferats München, brachte es auf den Punkt: „Wir befinden uns nicht im Kampf, sondern in einer Phase der Transformation.“ Die Veranstaltung vermittelte eine klare Botschaft: Die Mobilitätswende bietet eine einzigartige Chance, unsere Städte lebenswerter zu gestalten. Um dies zu erreichen, ist es entscheidend, die Bürgerinnen und Bürger aktiv in den Prozess einzubinden und entschlossen zu handeln. Letztlich hängt der Erfolg von dem Mut der Entscheidungsträger*innen ab, zu ihren demokratisch legitimierten Entscheidungen zu stehen und diese konsequent umzusetzen.
Über unsere Referenten:
- Simone Aumann und Marco Kellhammer (Technische Universität München, MCube aqt Projektverantwortliche)
- Prof. Benedikt Boucsein (Technische Universität München, Professur Urban Design, Projektleiter MCube aqt – autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt)
- Georg Dunkel (Leiter Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München)
- Jana Kugoth (Redaktionsleitung Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility)
- Heinrich Strößenreuther (Autor „Die Verkehrswesen – Miteinander den Kulturkampf beenden“, Mit-Gründer KlimaUnion e.V., Gründer Changing Cities e.V.)
Vielen Dank für die Impulse und Diskussionen. Dieses Mal in Kooperation mit MUCBOOK – Das Münchner Stadtmagazin.
Danke auch an Viktoriya Zayika für die Bilder.
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“Zukunft der Mobilität” ist eine Vortragsreihe von MCube – Munich Cluster for the future of Mobility in Metropolitan Regions, Technische Universität München and openLAB Urban Mobility.
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