MCube Speaker Series #14: Mobilitäts(un)erechtigkeit

In unserer Zeit bahnbrechender technologischer Entwicklungen, von Künstlicher Intelligenz bis zu Neuerungen in der Mobilität wie autonomes Fahren und Sharing-Dienste, konzentriert sich der Diskurs oft zu einseitig auf technische Aspekte und vernachlässigt die Möglichkeit, diese Innovationen von Anfang an sozial gerecht zu gestalten. Dies wirft die zentrale Frage auf: Wie können wir Technologien entwickeln, die soziale Auswirkungen von Beginn an berücksichtigen?

Dieses Thema stand in der MCube Speaker Series „Zukunft der Mobilität“ am 22. Februar 2024 im Deutschen Museum Verkehrszentrum mit knapp 100 Mobilitäsinteressierten Gästen im Fokus:„Mobilitäts(un)gerechtigkeit – Warum Mobilität künftig nicht nur technisch gestaltet werden darf.

Hier wurde erstmals der brandneue MCube Mobilitäts(un)gerechteigkeitsatlas vorgestellt. Erfahren Sie hier mehr über dieses Innovationstool und die Highlights des Abends:

Dr. Ines Kawgan-Kagan: Gendergerechtigkeit darf kein Randthema sein!

Dr. Ines Kawgan-Kagan – Senior Mobility & Gender Expertin vom AEM-Institut in Berlin betonte die Notwendigkeit, die weibliche Perspektive in die Mobilitätsplanung zu integrieren, die sich traditionell am Mobilitätsmuster des vollzeiterwerbstätigen Mannes orientiert. Dieses Modell vernachlässigt die komplexen und vielschichtigen Mobilitätsbedürfnisse von Frauen, die nicht nur oft in Teilzeit arbeiten, sondern auch die Hauptlast der Care-Arbeit tragen. Diese Doppelbelastung führt zu einem Netz aus vielfältigen Wegen und Zielen, das in der aktuellen Mobilitätsplanung keine Berücksichtigung findet.

Darüber hinaus machte sie deutlich, dass die finanziellen Möglichkeiten von Frauen, ihre Nutzungsmuster von Verkehrsmitteln und spezifische Sicherheitsbedürfnisse von den aktuellen Planungsannahmen abweichen. Diese Diskrepanz unterstreicht die dringende Notwendigkeit, Mobilitätsangebote geschlechtergerecht zu gestalten, indem über das Geschlecht hinaus weitere Faktoren wie Alter, Familienstand, Einkommen und Wohnort einbeziehen, um eine umfassende Inklusion zu gewährleisten – ein Punkt, der auch von Oswald Utz, dem Beauftragten für Menschen mit Behinderungen der Landeshauptstadt München, in seinem Beitrag zur Diskussion unterstrichen wurde.

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Oswald Utz – Inklusion im öffentlichen Raum

„Wie viele von Ihnen haben Freunde mit Behinderungen?“ Mit dieser einleitenden Frage illustrierte Oswald Utz, Behindertenbeauftragter der Landeshauptstadt München, warum diese Gruppe oft in der Planung vergessen wird. Durch das Teilen seiner persönlichen Erfahrungen verdeutlichte Utz, wie häufig die Mobilitätsplanung die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen außer Acht lässt. Er plädierte eindringlich für eine inklusivere Gestaltung öffentlicher Verkehrsmittel und Infrastruktur, um die Zugänglichkeit für alle zu verbessern. Utz erläuterte, dass die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen weitreichende positive Effekte haben kann, die auch anderen Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Als Beispiel nannte er längere Haltezeiten bei der U-Bahn, die nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für ältere Menschen oder Eltern mit Kinderwagen eine Erleichterung darstellen.

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 David Duran und Dr. Jessica Le Bris – Praktische Wege zur Mobilitätsgerechtigkeit

Als nächste Sprecher des Abends stellten Dr. David Duran und Dr. Jessica Le Bris von dem MCube Innovationsprojekt MGeM vor, wie sie das Ziel verfolgen, Mobilitätsungerechtigkeit nicht nur theoretisch zu erforschen, sondern auch durch praktische Lösungen das Leben in der Metropolregion München für alle zu verbessern. Mit dem Mobilitäts(un)gerechtigkeitsatlas und dem Pilotprojekt am Piusplatz zeigen sie auf, wo es an gerechter Mobilität mangelt und wie gezielte Maßnahmen diese Lücken schließen können. Die Erkenntnisse aus dem MGeM-Projekt können Politikerinnen und Stadtplaner nutzen, um inklusive Mobilitätskonzepte zu entwickeln.

Mobilitäts(un)gerechtigkeitsatlas: Aufdecken von Ungleichheiten
Ein Schlüsselwerkzeug ihrer Forschung ist der Mobilitäts(un)gerechtigkeitsatlas. Dieses geodatenbasierte Tool macht Ungleichheiten im Mobilitätsangebot auf Quartiersebene in Städten (zunächst in München) sichtbar, indem es städtische Daten und Umfrageergebnisse nutzt, um zu zeigen, wie verschieden der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und grundlegenden Dienstleistungen für diverse Bevölkerungsgruppen ist.

Pilotprojekt Piusplatz: Maßnahmen für ein lebendiges Quartier
Das Team hat am Piusplatz, einem Quartier mit großer sozialer und kultureller Vielfalt, ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. In der Anfangsphase wurden durch Dialogformate wie Pop-up-Aktionen und Spaziergänge die Bedürfnisse der Anwohner*innen erfasst. Basierend auf diesen Einblicken wurden Maßnahmen entwickelt, die von zusätzlichen Sitzgelegenheiten bis hin zu Sportangeboten reichen, um die soziale Teilhabe und Lebensqualität zu verbessern.

Microlino: heutige Fahrzeuge zu groß, zu schwer und oft zu teuer

Den Abschluss der Inputs bildete der Beitrag Johann Sachmann von Microlino. Mit dem Ziel, über die „Last Mile“-Lösung hinauszugehen und die städtischen Mobilitätsbedürfnisse ganzheitlich zu adressieren, präsentiert Microlino eine Antwort auf die Kritikpunkte herkömmlicher städtischer Fahrzeuge: zu groß, zu schwer und oft zu teuer. Der Microlino, als „größtes kleines Produkt“ der Micro Mobility AG, ist ein kompakter, 2,52 Meter langer Kabinenroller für zwei Personen, der mit seinem minimalistischen Elektroantrieb nicht nur eine praktische, sondern auch eine gerechtere Alternative im urbanen Raum darstellt.

 

 

Fazit: Ein ganzheitlicher Blick auf die Zukunft der Mobilität
Die Diskussionen und Inputs der Speaker*innen verdeutlichen, dass „Mobilität nicht nur technisch gestaltet werden darf“. Sie machen deutlich, wie wichtig es ist, ein breites Spektrum an Perspektiven und Bedürfnissen zu berücksichtigen – von Geschlechtergerechtigkeit und Barrierefreiheit über soziale Teilhabe bis hin zur Anpassung an urbane Räume –, um Mobilität gerechter, zugänglicher und nachhaltiger zu gestalten.

In der Podiumsdiskussion diskutierten die Speaker*innen gemeinsam mit Silke Buchberger von der Stadt München und dem Publikum, wie wir gemeinsam über den technologischen Ansatz hinwegkommen und die wirklichen Bedürfnisse der Menschen stärker adressieren. Dabei wurden sowohl wirtschaftliche Perspektiven als auch politische Herausforderungen beleuchtet, die zeigen, wie unterschiedliche Interessen die Implementierung von Mobilitätsgerechtigkeit beeinflussen können.

Es ist notwendig, Mobilitätskonzepte ganzheitlich zu denken und zu gestalten, um eine gerechte, zugängliche und nachhaltige Zukunft der Mobilität zu schaffen.

 

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Danke auch an Matthias Grundei für die Bilder.

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“Zukunft der Mobilität” ist eine Vortragsreihe von MCube – Munich Cluster for the future of Mobility in Metropolitan Regions, Technische Universität München, openLAB Urban Mobility und dem Deutschen Museum Verkehrszentrum.

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